Unter all den Gestalten des religiösen, mythologischen und kulturellen Imaginaire hat keine einen so anhaltenden, vielgestaltigen und faszinierenden Einfluss ausgeübt wie der Teufel. Unter unzähligen Namen und Erscheinungsformen – Satan, Luzifer, der Böse, der Widersacher, der Versucher – durchzieht er die Geschichte der Menschheit als wandelbares Symbol, das die Ängste, Glaubensvorstellungen und Wertsysteme der Gesellschaften offenbart, die ihn dargestellt haben. Der Teufel ist niemals eine feste Gestalt: Er verändert sich je nach Epoche, nimmt die Züge des Fremden, des Häretikers, des Monsters oder des Rebellen an, erscheint in heiligen Erzählungen ebenso wie in künstlerischen Werken und wird schließlich sogar zu einer modernen kulturellen Ikone, in der sich Provokation, ästhetische Faszination und Ironie vermischen.
Die Darstellungen des Teufels zu verstehen bedeutet daher, zu analysieren, wie die Zivilisationen das Böse, den Ungehorsam, die Angst und das Chaos konzeptualisiert haben. Es bedeutet auch zu entdecken, wie ein und dieselbe Figur zwischen metaphysischer Abstraktion und sehr konkreter Inkarnation schwanken kann, zwischen heiliger Furcht und volkstümlicher Karikatur. Dieser Artikel bietet eine gründliche Untersuchung der großen Etappen, die das Bild des Teufels geprägt haben – von den antiken Mythen bis zu den modernen Interpretationen, über das mittelalterliche Denken, die Renaissance und die romantischen Literaturen.
In diesem ersten Teil befassen wir uns mit den antiken und biblischen Ursprüngen der Gestalt des Teufels, mit ihrer Entwicklung im Judentum und im frühen Christentum sowie mit den ersten großen ikonographischen Darstellungen im Mittelalter. Der zweite Teil wird diese Untersuchung bis in die Gegenwart fortsetzen, indem er den Einfluss von Kunst, Literatur, Hexenprozessen, geistigen Revolutionen und modernen Medien analysiert.
Ursprünge: die Gestalten des Bösen in der Antike
Das Böse als Chaos, nicht als Person
Bevor ein personifizierter Teufel entstand, betrachteten viele Zivilisationen das Böse als unpersönliche Kraft: Dürre, Krankheit, Krieg oder Katastrophen. Bei den Mesopotamiern beispielsweise waren die Dämonen – utukku, alû, lilû – schädliche Geister, jedoch keine zentrale Gestalt, die mit dem späteren Satan vergleichbar wäre. Im alten Ägypten war der wichtigste Gegner Seth, der Gott des Unheils und der Gewalt, doch seine Eigenschaften bleiben ambivalent: Er schützt die Sonne vor den höllischen Schlangen und verkörpert zugleich die Zerstörung.
So existierte der Teufel im westlichen Sinne – eine persönliche, dem Göttlichen radikal feindliche Entität – noch nicht. Das Böse war ein kosmisches Phänomen, manchmal von einer Vielzahl von Geistern verkörpert, niemals jedoch von einem einzigen Feind Gottes.
Der iranische Dualismus und der Einfluss Zarathustras
Im Mazdaismus, der Religion des alten Persiens, taucht eine wirklich dualistische Vorstellung auf. Der Prophet Zoroaster (oder Zarathustra), wahrscheinlich im 1. Jahrtausend v. Chr., beschreibt das Universum als Schauplatz eines Kampfes zwischen zwei Prinzipien:
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Ahura Mazda, der Gott des Lichts und der Wahrheit
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Angra Mainyu (Ahriman), der böse, zerstörerische und lügnerische Geist

Statue des Ahriman aus einem mithräischen Tempel
1. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.
Dieser strukturierte, moralische und eschatologische Gegensatz beeinflusste die jüdische und die christliche Tradition zutiefst, als die Hebräer im babylonischen Exil lebten und den religiösen Strömungen der Region ausgesetzt waren. Ahriman ist eines der ersten historischen Modelle für das, was später die Figur des Teufels werden sollte: ein kosmischer Gegner mit eigenem Willen, der versucht, die Schöpfung zu verderben.
Die griechischen Mythen: Titanen, Chimären und Personifikationen der Leidenschaften
Die griechische Mythologie bietet keinen einzigen „Teufel“, stellt jedoch mehrere Gestalten dar, die gewisse Eigenschaften des christlichen Dämons vorwegnehmen:
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Typhon, ein monströser Riese, der Krieg gegen Zeus führt,

Darstellung der griechischen Gottheit Typhon (oder Typhoeus). Kupferstich aus „Mythologiae sive explicationes fabularum“ von Natalis Comes, 1637
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Hades, Herrscher über das Totenreich (nicht bösartig),

Hades und Zerberus
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Pan, dessen bocksgestaltiges Aussehen die mittelalterliche Darstellung des Teufels beeinflussen wird.

Pan
Das moralische Böse hingegen wurde durch Allegorien wie den Zwist (Eris), die Täuschung (Apate) oder den Hass (Eris) personifiziert. Diese vielfältige und nuancierte Auffassung entfernt sich noch von der Idee eines absoluten Feindes, trägt jedoch zur plastischen und symbolischen Entwicklung der diabolischen Gestalt bei.
Man erkennt hier einen der großen Züge der späteren Darstellungen: Der Teufel leiht sich die Attribute der Monster und Götter der heidnischen Pantheons, um zu einem furchterregenden Synkretismus zu werden.
Der Teufel in der hebräischen Bibel: vom himmlischen Ankläger zum Gegner
Ein Wesen noch im Dienst Gottes
Im Alten Testament ist der Begriff „Satan“ noch kein Eigenname, sondern ein Titel: ha-satân, „der Gegner“, „der Ankläger“. Es handelt sich nicht um ein rebellisches Wesen, das gegen Gott kämpft, sondern um ein Mitglied des göttlichen Hofes, vergleichbar mit einem Ankläger, der die Treue der Menschen prüft.
Im Buch Ijob erscheint Satan beispielsweise mitten unter den „Söhnen Gottes“. Er prüft Ijob mit ausdrücklicher Erlaubnis Gottes: Er ist ein Prüfungsinstrument, kein kosmischer Feind. Ebenso stellt sich im Buch Numeri ein satân Balaam in den Weg, um seinen Weg zu blockieren: Er handelt als göttlicher Bote.
So ist Satan in der vor-exilischen jüdischen Tradition nicht der Herr des Bösen. Es existiert noch keine dualistische Auffassung. Das Böse stammt häufig vom menschlichen Ungehorsam oder der göttlichen Strafe, nicht von einem autonomen Dämon.

Holzgeschnitzter Teufelskopf auf Relics.es
Die Entwicklung nach dem Exil: persische und apokalyptische Einflüsse
Nach dem babylonischen Exil zeugen die jüdischen apokalyptischen Texte (wie das Buch Henoch oder die Qumran-Schriften) von einer tiefgreifenden Wandlung: Die Figur Satans löst sich vom himmlischen Hof, wird zum Anführer gefallener Engel und widersetzt sich Gott direkt.
Ein wesentlicher Schritt ist die Legende vom Sturz der Engel, inspiriert vom rätselhaften Abschnitt der Genesis („Die Söhne Gottes sahen, dass die Töchter der Menschen schön waren“) und ausgearbeitet in den zwischentestamentlichen Mythen. Die rebellischen Engel werden nun in Verbindung gebracht mit:
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der Verderbnis der Menschheit
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der Vermittlung okkulter Praktiken
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der Errichtung eines nächtlichen Königreichs im Widerspruch zu Gott
In diesem Kontext entsteht eine diabolische Gestalt, die nicht mehr eine himmlische Funktion darstellt, sondern ein metaphysischer Gegner ist.
Der Teufel im Neuen Testament: zwischen Versuchung und Apokalypse
Mit dem Auftreten des Christentums gewinnt die Gestalt des Teufels eine neue Tiefe. In den Evangelien hört Satan auf, eine einfache Funktion zu sein – wie der himmlische Ankläger im Buch Ijob – und wird zu einem Hauptakteur des geistlichen Dramas. Die Evangelien verleihen ihm eine direkte Rolle in der Heilsgeschichte, insbesondere im Leben Jesu. Sie identifizieren ihn als denjenigen, der versucht, den Messias von seiner Mission abzubringen, als den, der manipuliert, täuscht, lügt, besessen macht und Zweifel in das Herz der Menschheit sät. Diese Entwicklung markiert den Bruch mit der jüdischen Tradition, in der die Kräfte des Bösen oft verstreut oder ambivalent waren, während das entstehende Christentum diese Elemente in einer kohärenten und furchterregenden Figur vereint.

Bibel von Royaumont, Neues Testament: Der Engel fesselt den Drachen der Apokalypse, die Gestalt des Teufels, und schließt den Schlüssel des Abgrunds. Illustration von 1811.
Der Versucher und der Vater der Lüge
Die Szene der Versuchung in der Wüste ist einer der grundlegenden Momente dieser neuen Auffassung. Nach seiner Taufe begibt sich Jesus in die Wüste, einen symbolischen Ort der Entäußerung, der Einsamkeit und der Prüfung, und dort tritt Satan auf, um ihn herauszufordern. Er erscheint nicht als Monster oder irrationale Kraft, sondern als überlegter Gesprächspartner, der die Schrift zitieren, argumentieren und verhandeln kann. Diese Episode offenbart die Intelligenz des Teufels, seine Fähigkeit, elementare Bedürfnisse auszunutzen – Hunger, Durst, Ehrgeiz, körperliche Schwäche – und zugleich seine Unfähigkeit, die Logik der göttlichen Liebe zu verstehen. Jesus antwortet ihm nicht durch eine Machttat, sondern durch die Treue zum Wort. Die Niederlage des Teufels zeigt, dass seine Macht nicht auf roher Gewalt beruht, sondern auf menschlicher Zustimmung.

Der Erzengel Michael und der Teufel mit dem Buch der sieben Todsünden
In anderen Passagen des Neuen Testaments nimmt das Böse eine noch innigere Dimension an. Besonders das Johannesevangelium bezeichnet Satan als den „Vater der Lüge“, eine eindrucksvolle Formulierung, die den Teufel mit der Wurzel aller Fälschung verbindet. Er ist nicht nur einer, der lügt: Er ist der Ursprung der Lüge, ihre erste Quelle. Durch diesen Ausdruck verortet der Text den Teufel im Zentrum einer Krise der Wahrheit, die moralische, geistige und metaphysische Konsequenzen hat. Die Lüge ist das, was von der Wahrheit ablenkt, was die Beziehung zwischen Gott und Mensch schwächt, was die Wahrnehmung der Wirklichkeit trübt. Satan wird so zum Urheber einer Verzerrung der Welt, zu einem unsichtbaren, aber allgegenwärtigen Feind, der in Gedanken, Worten und Illusionen wirkt.

Der Teufel versucht, Jesus zu verführen; Detail eines Buntglasfensters, um 1170–1180.
Victoria & Albert Museum, London.
Das Neue Testament schreibt ihm auch eine Stellung in der kosmischen Dynamik zu: Er wird „Fürst dieser Welt“ genannt, eine rätselhafte Bezeichnung, die nahelegt, dass er eine Form der Herrschaft über menschliche Strukturen ausübt. Diese Herrschaft ist nicht absolut – sie existiert nur aufgrund des Sündenfalls –, aber sie ist real und gefährlich. Daher sind die Exorzismen Jesu in den Evangelien keine einfachen Heilungen: Sie sind Siege, greifbare Zeichen der Rückeroberung einer verwundeten Welt.
Diese Vereinigung der Rollen des Teufels – Versucher, Verführer, Besessener, Lügner, Anführer der Mächte des Bösen – stellt einen bedeutenden doktrinären Wendepunkt dar. Die verschiedenen verstreuten Motive der jüdischen Literatur verschmelzen zu einer einzigen Figur, identifizierbar, kohärent, die zur Grundlage der christlichen Dämonologie wird.
Der eschatologische Kampf
Wenn die Evangelien Satan im unmittelbaren Verlauf der Geschichte zeigen, projiziert ihn die Apokalypse des Johannes in einen kosmischen Krieg, der den irdischen Horizont übersteigt. Dieser Text, gesättigt mit Symbolen, bietet eine der kraftvollsten und einflussreichsten Darstellungen des Teufels. Er erscheint dort abwechselnd als riesiger Drache, als antike Schlange aus dem Garten Eden, als derjenige, der ganze Nationen verführt. Diese Vielfalt der Gestalten ist nicht widersprüchlich: Sie verbindet die List der Schlange mit der Gewalt des Drachen, die Erinnerung an die erste Sünde mit der Erwartung des letzten Kampfes.

Der Sturz der rebellischen Engel – Orazio Gentileschi
Die Apokalypse stellt Satan als Anführer einer himmlischen Rebellion dar. Er kämpft gegen Michael, den kriegerischen Erzengel, in einer Schlacht, in der sich das Schicksal der Schöpfung entscheidet. Die Niederlage des Teufels führt zu seinem Sturz aus dem Himmel: Er wird auf die Erde geworfen, nicht in eine abgeschlossene Hölle, sondern in die Welt der Menschen, wo er weiterhin eine Zeitlang wirken kann. Diese Idee eines „gefallenen, aber aktiven“ Teufels prägte die mittelalterlichen Jahrhunderte tief: Satan ist noch nicht besiegt; er führt einen verzweifelten Krieg gegen Gott, obwohl er weiß, dass sein Ende feststeht.
In dieser eschatologischen Vision wird das endgültige Schicksal des Teufels klar angekündigt: für tausend Jahre in Ketten gelegt, wird er danach für eine kurze Zeit freigelassen, bevor er in den „Feuersee“ geworfen wird. Dieses Bild des ewigen Feuers, der endgültigen Vernichtung, wird zu einem der Grundpfeiler der mittelalterlichen Kunst. Romanische Tympana, gotische Fresken und illuminierte Manuskripte greifen mit unvergleichlicher Inbrunst diese flammende Ikonographie auf: zerquetschte Drachen, brüllende Dämonen, bewaffnete Engel, brennende Welten.
So verleiht die Apokalypse dem Teufel eine wahrhaft theatralische Dimension. Er flüstert nicht mehr nur im Schatten: Er wird zu einem titanischen Akteur eines kosmischen Dramas, einem kolossalen Wesen, das sich mit verzweifelter Wut gegen Gott erhebt. Das christliche Imaginaire wird dadurch tiefgreifend verändert. Dieses Bild des gefallenen Drachen, des Verführers der Nationen, des großen eschatologischen Gegners nährt über Jahrhunderte die religiöse Skulptur, die Predigt, die Theologie und sogar die Volksliteratur.
Kupferstich Die Versuchung des heiligen Antonius auf Relics.es
Die ikonographischen Ursprünge: Geburt einer Ästhetik des Bösen
Hybride Dämonen aus dem Heidentum
Als die christliche Kunst beginnt, das Gesicht des Teufels zu erfinden, tut sie dies unter großzügiger Anlehnung an die Formen der Antike. Es existierte noch keine eindeutig christliche Tradition zur Darstellung einer bösartigen Kreatur: Die ersten Künstler wandten sich daher den Figuren zu, die bereits mit dunklen Kräften, Instinkten und Chaos verbunden waren. Das heidnische Pantheon bot eine Galerie beunruhigender Silhouetten, und auf Grundlage dieser Vorbilder formt sich nach und nach die Ästhetik des Dämons.

Kirche Saint-Pierre de Chauvigny
Pan mit seinen Hörnern und Ziegenbeinen liefert eines der ersten visuellen Reservoirs. Nicht, weil die christliche Theologie eine Verwandtschaft mit Satan behaupten würde, sondern weil sein Aussehen die rohe Animalität verkörpert, die Welt der ungezähmten Instinkte, den Gegensatz zwischen Wildheit und geistlicher Disziplin. Die Satyrn, wollüstig, unbeherrscht und Träger eines orgiastischen Gelächters, tragen ebenfalls zu dieser Konstruktion bei. So kleidet sich das Bild des Teufels bereits in den ersten Jahrhunderten in Hörner und Fell, um eine herabgesetzte Natur zu signalisieren, die von der menschlichen Würde entfernt ist.
Hinzu kommt der Einfluss der griechischen Tragödienmasken mit ihren weit geöffneten Mündern, übertriebenen Zähnen und mit Farbe vergrößerten Augen. Das Gesicht des Teufels ist in der entstehenden Kunst noch keine Individualität; es ist eine verzerrte Oberfläche, eine Grimasse, geschaffen, um Fremdheit und Bruch zu suggerieren. Die Fledermausflügel wiederum erscheinen als Gegenbild der Engelsflügel: Sie drücken einen Sturz aus, eine Finsternis, die nicht mehr die natürliche Nacht ist, sondern die eines geistigen Reiches ohne Licht. Die Gesamtheit dieser ikonographischen Entscheidungen soll nicht die theologische Natur des Bösen erklären, sondern dessen moralische Hässlichkeit durch visuelle Hässlichkeit unmittelbar erfahrbar machen. Die Hässlichkeit wird zum äußeren Zeichen der verdorbenen Seele.
Die Kunst der Katakomben und der frühen Handschriften
Trotz dieser bereits reichen ikonographischen Grundlage bleiben die Darstellungen des Teufels in den Katakomben äußerst diskret. Die ersten christlichen Gemeinschaften suchen zunächst, den Sieg des Lebens, die Verheißung der Auferstehung und den göttlichen Schutz zu feiern; sie vermeiden es, Angst oder Leid zu viel Raum zu geben. Wenn das Böse in diesen unterirdischen Umgebungen auftaucht, besitzt es noch keine bestimmten Züge: Es ist ein Schatten, eine unbestimmte Silhouette, manchmal eine bedrohliche Gestalt, deren Identität nicht klar festgelegt ist. In manchen Szenen kann man Anspielungen auf den Teufel wahrnehmen, doch bleiben sie kaum skizziert, weil eine gefestigte ikonographische Sprache noch fehlt.
Erst ab der karolingischen Zeit nimmt das Bild Satans eine präzisere Form an. In den illuminierten Handschriften, die häufig von Mönchen ausgeführt werden, erscheint der Teufel als dunkle Gestalt, die sich in den Randzonen verbirgt: Er steht nicht im Zentrum des Bildes, sondern an seinen Rändern, wie eine unwillkommene Präsenz, ein Eindringling, der noch geduldet, aber eindeutig zurückgewiesen wird. Diese periphere Platzierung ist gewollt. Sie drückt sowohl die reale Existenz des Bösen als auch seine Distanzierung aus. Der Teufel ist gegenwärtig, doch er hat kein Recht auf das Zentrum, als müsse seine bloße körperliche Existenz angezeigt und zugleich an den Rand der heiligen Botschaft verbannt werden.
In den ottonischen und romanischen Handschriften wird diese Ikonographie weiter verfeinert. Der Teufel nimmt bisweilen affenartige Züge an: lange Arme, gekrümmter Rücken, angedeutetes Knurren. Der Affe steht im mittelalterlichen Imaginären für das, was den Menschen nachahmt, ohne ihn je zu erreichen, was die menschliche Gestalt kopiert und ihr zugleich die Würde nimmt. Den Teufel zu einer Art affenartiger Karikatur zu machen, bedeutet zu behaupten, dass Satan eine Parodie der Kreatur ist: eine pervertierte Freiheit, eine verkehrte Intelligenz, ein Wesen, das die göttliche Größe nachäfft, aber nur Monstrosität hervorbringt.
Die Hölle als visuelles Theater
Ab dem 9. Jahrhundert vollzieht die christliche Vorstellungswelt einen radikalen Wandel. Die Hölle, die bis dahin nur ein Konzept oder ein vage angedeuteter Raum war, wird zu einer konkreten, beinahe theatralischen Bühne. Diese Verwandlung hat geistliche Gründe – den Gläubigen die Realität moralischer Entscheidungen sinnfällig zu machen – aber auch soziale: Das Bild wird zur Sprache für mehrheitlich analphabetische Bevölkerungen. Der Teufel ist von da an nicht mehr nur eine Nebenfigur: Er wird zu einem Herrscher.

Tympanon der Abteikirche Sainte-Foy in Conques
In den Skulpturen der romanischen Tympana bricht diese Umgestaltung mit ungeahnter Kraft hervor. In Conques, in Autun, in Moissac meißeln die Künstler in Stein Szenen des Jüngsten Gerichts, in denen die Grenze zwischen der Welt der Lebenden und der der Verdammten wie eine Architektur sichtbar gemacht wird. Christus thront in der Mitte, doch direkt darunter erscheint ein weiterer Thron: der des Teufels, eine groteske Monarchie, die dem himmlischen Reich entgegengesetzt ist. Seine Schergen misshandeln die Seelen, ziehen sie, wiegen sie, verstümmeln sie; sie klettern auf die Körper, packen die Sünder wie eine Beute, während Satan dieses Chaos mit einer grotesken Feierlichkeit orchestriert.

Tympanon der Abteikirche Sainte-Foy in Conques
Die in Stein gemeißelte Hölle ist nicht nur ein Ort der Folter: Sie ist eine Inszenierung der absoluten Unordnung. Alles funktioniert hier als Umkehrung der göttlichen Ordnung. Dieses Prinzip eines Anti-Reiches ermöglicht es, eine weitreichendere Vision auszudrücken: Satan ist nicht mehr nur der Versucher, er herrscht über eine ganze Welt, die auf Verzerrung, Grausamkeit und Groteskes gebaut ist. Hier kristallisiert sich einer der stärksten Aspekte der mittelalterlichen Darstellung des Bösen: die Idee, dass der Teufel ein aus den Fugen geratenes Universum regiert, das seine eigene innere Verwirrung widerspiegelt.
Diese Ikonographie ist alles andere als dekorativ; sie hat eine moralische Tragweite. Sie will den Blick beeindrucken, Furcht wecken, daran erinnern, dass menschliches Handeln nicht ohne Folgen bleibt. Die Ästhetik der Angst, die in diesen Tympana stark präsent ist, folgt einer pädagogischen Absicht: spürbar zu machen, dass Schönheit und Licht nicht nur verheißene Wirklichkeiten sind, sondern Entscheidungen – und dass ihre Ablehnung in eine Welt führt, in der Hässlichkeit zur Norm wird.
Die Geburt dieses höllischen Theaters markiert einen Wendepunkt: Zum ersten Mal erscheint der Teufel im christlichen Imaginären als wahrhaft souveräne Figur. Er herrscht über ein Königreich, das, so grotesk es auch sein mag, seine eigenen Regeln, seine eigene Logik, seine eigene Hierarchie besitzt. Diese Vision, bereits fest im romanischen Kunstschaffen verankert, nährt die gesamte mittelalterliche Ikonographie und bleibt noch in den folgenden Jahrhunderten eines der hartnäckigsten Bilder des Bösen.
Der Teufel im Mittelalter: zwischen Theologie, Folklore und kollektiver Angst
Der theologische Teufel: subtil und geistig
Im gelehrten mittelalterlichen Denken nimmt der Teufel einen wesentlichen, aber paradoxen Platz ein. Die großen Autoren der christlichen Tradition – Augustinus, Gregor der Große, Thomas von Aquin – sind sich darin einig, dass er kein Rivale Gottes ist und dass seine Macht vollständig von der göttlichen Erlaubnis abhängt. Diese Abhängigkeit macht ihn jedoch keineswegs harmlos. Im Gegenteil: Seine scheinbar begrenzte Kraft wird umso gefährlicher, als sie sich auf indirekte, heimtückische, beinahe psychologische Weise äußert.
Für diese Theologen handelt Satan nicht als rohe Gewalt, die sich gegen den Menschen entlädt, sondern als listiger Geist, als Experte der Suggestion. Er beobachtet die Schwachstellen, dringt in die Zögerlichkeiten ein, manipuliert innere Vorstellungen. Sein bevorzugtes Wirkfeld ist nicht der Körper, sondern die Seele. Die Sicht Augustins betont die intellektuelle Dimension des geistlichen Kampfes: Der Teufel täuscht, indem er den Schein des Guten erweckt; er verkleidet die Wünsche; er treibt den Menschen nicht bloß zu offenem Verbrechen, sondern zu Entscheidungen, die der Tugend ähneln, während sie deren Substanz zerstören. Gregor der Große wiederum beschreibt einen Gegner, der in Stufen arbeitet, kleine Gedanken einflößt und sie dann verstärkt, wie ein geduldiger Stratege, der die inneren Mechanismen der Menschheit besser kennt als jeder andere.

Der Psalter Heinrichs von Blois ist ein illuminierter Psalter, der in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in England entstand.
Thomas von Aquin, sehr aufmerksam gegenüber den Mechanismen des Geistes, sieht im diabolischen Handeln eine Art perverse Sophistik: Der Dämon zwingt nicht, er überredet; er herrscht nicht, er lenkt ab. Er handelt wie ein Illusionist, ein Verführer, manchmal ein Besessenerzeuger – nicht durch brutalen Einbruch, sondern durch Besetzung des inneren Raumes. In diesem Rahmen ist selbst die Besessenheit niemals ein Triumph des Bösen über Gott, sondern ein Zustand, den Gott zulässt, um die Menschheit zu prüfen oder die Grenzen menschlichen Hochmuts zu offenbaren.
So entsteht im Laufe von Jahrhunderten monastischer Reflexion ein verfeinertes Bild des Teufels: nicht mehr ein brüllendes Monster, sondern ein gefürchteter Intellekt, ein subtiler Geist, zugleich nah und unzugänglich, dessen erste Macht die der Täuschung ist. Das mittelalterliche Böse ist nicht nur eine äußere Kraft: Es wird zu einem inneren Dialog mit einem unsichtbaren Gegner.
Der volkstümliche Teufel: Possenreißer, Groteske oder Lüstling
Neben dieser ernsten, von Theologen konzipierten und in Klöstern diskutierten Gestalt erschafft das mittelalterliche Volk einen Teufel, der mit dem gefallenen Engel der Theologie nur noch wenig gemein hat. Auf Jahrmärkten, in Schwänken, Bühnenstücken und volkstümlichen Aufführungen wird der Dämon zu einer lauten, ungeschickten, oft lächerlichen Figur. Er stößt an Kulissen, stolpert über seine eigenen Hufe, brüllt eher, als dass er spricht, gestikuliert ohne Würde. In den auf öffentlichen Plätzen aufgeführten geistlichen Spielen verkörpert er eine groteske, unruhige Präsenz, fast wie ein Narr. Die Schauspieler stellen ihn gern übertrieben dar, mit Grimassen, Schwanzschlägen und künstlichem Gelächter, um gleichzeitig Furcht und Lachen hervorzurufen.
Diese Verwandlung ist kein bloßer Zeitvertreib. Sie offenbart eine volkstümliche Art, die Angst zu bewältigen: Sich über den Teufel lustig zu machen heißt, bereits über ihn zu triumphieren. Das Lachen wirkt wie ein gesellschaftlicher Exorzismus. Weit entfernt von den gelehrten Spekulationen bannen die Männer und Frauen des Mittelalters das Böse durch Karikatur, indem sie denjenigen lächerlich machen, der ihnen in den Predigten Furcht einjagt. Auf diese Weise wird der Teufel im kollektiven Imaginären zu einer lüsternen, törichten Kreatur, die stets Opfer ihrer eigenen List ist – ein Betrüger, der schließlich selbst betrogen wird.
Diese komische Version spielt eine grundlegende Rolle: Sie verbreitet die Vorstellung, dass das Böse nicht nur durch Gnade, sondern auch durch alltägliche Klugheit, durch volkstümliche Schlauheit, durch einen Sinn für entwaffnendes Lachen besiegt werden kann. Dieser Teufel, der durch eine theatralische Geste vertrieben oder vor einer lachenden Menge verspottet wird, bereitet den Boden für die satirische Tradition der folgenden Jahrhunderte, in der der Dämon zu einem kritischen Instrument, zu einem grotesken Spiegel wird, der die Fehler der Gesellschaft zurückwirft.
Teufelspakte: eine neue Beziehung zum Bösen
Ab dem 12. Jahrhundert vollzieht sich ein tiefgreifender Wandel in der Art und Weise, wie man das Böse versteht: Der Teufel ist nicht mehr nur Verfolger oder Verführer, er wird zum Vertragspartner. Die Vorstellung, dass ein Mensch seine Seele verkaufen könne, ist zwar noch nicht weit verbreitet, kristallisiert sich jedoch allmählich und wird schließlich zu einem der wirkmächtigsten Motive der mittelalterlichen Literatur. Von nun an entreißt Satan die Seelen nicht mehr nur durch Täuschung: Er erwirbt sie durch gegenseitige Übereinkunft, wie ein Händler, der mit den Menschen auf Augenhöhe verhandelt.

Die Beweggründe für diese Pakte variieren je nach Erzählung, folgen aber alle demselben Schema: Der Mensch will erlangen, was ihm die Gesellschaft oder Gott verwehren. Einige suchen Reichtum, andere Macht, verbotenes Wissen oder unmögliche Liebe. Der Teufel wird dann zum Mittler zwischen frustriertem Wunsch und seiner Verwirklichung. Er verspricht viel und erhält im Gegenzug die Seele, die ihm wie eine Unterschrift ausgeliefert wird. Dieser Umschwung ist bedeutsam: Das Böse wird nicht mehr nur erlitten, es wird gewählt, verhandelt, bewusst im Austausch gegen einen unmittelbaren Vorteil akzeptiert. Der Teufel ist nicht mehr nur Feind oder Spötter: Er wird zum Partner.
Die Legende von Theophilus von Adana bietet das berühmteste Beispiel dieser neuen Beziehung. Theophilus, ein Kleriker, der verzweifelt darüber ist, seine Stellung verloren zu haben, schließt einen Pakt mit dem Teufel, um sie zurückzuerlangen. Der Vertrag wird geschrieben, besiegelt und als Beweis aufbewahrt. Diese Geschichte, die sich im gesamten Mittelalter weit verbreitet, legt bereits die Grundlage für den späteren Faust-Mythos: einen Menschen, der bereit ist, auf sein Heil zu verzichten, um ein Stück Macht in dieser Welt zu erlangen. Sie zeigt zudem die wachsende Faszination für einen legalistischen, beinahe bürokratischen Teufel, der nicht durch Gewalt, sondern auf dem Weg eines formalen Vertrages handelt.
Durch diese Erzählungen wird das Böse rationalisiert. Es hört auf, ein unvorhersehbares Ereignis oder ein geistlicher Unfall zu sein. Es wird zu einer Wahl, einer Bindung, einem Vertrag. Man erleidet es nicht mehr nur: Man akzeptiert es. Dieser Übergang bereitet die Moderne vor, in der der Teufel sehr oft zur Figur des Preises wird, den man für maßlose Ambition zahlt.
Der Teufel zwischen dem 13. und 15. Jahrhundert: Aufstieg der Dämonologie und mittelalterliche Ängste
Ab dem 13. Jahrhundert tritt Europa in eine Phase historischer Turbulenzen ein, die sein Verhältnis zum Bösen tiefgreifend verändern wird. Der Teufel, bislang eine wichtige, aber in der christlichen Kultur noch relativ sekundäre Figur, wird nach und nach zu einer obsessiven, allgegenwärtigen, beunruhigenden, fast greifbaren Präsenz. Diese Metamorphose ist nicht das Ergebnis eines einzigen Ereignisses, sondern das Produkt einer seltenen Konvergenz: Erstarken des scholastischen Denkens, tiefgreifende gesellschaftliche Umbrüche, demographischer Einbruch, kollektive Ängste und vor allem ein neuer Hunger danach, intellektuell zu ordnen, was der menschlichen Kontrolle entgleitet.
Die Welt verändert sich. Sie wird fragiler. Und in dieser Welt in der Krise verändert sich auch der Teufel.

Jüngstes Gericht: Detail der Hölle. Verdammte, von Dämonen gefoltert. Fra Angelico (um 1387–1455)
Die Scholastik: der Teufel als Gegenstand der Wissenschaft
Der Aufschwung der Universitäten im 13. Jahrhundert bringt eine neue Weise hervor, über das Übernatürliche nachzudenken. Die Theologen begnügen sich nicht mehr damit, die Schrift zu kommentieren oder die Lehren der Kirchenväter zu wiederholen: Sie bauen durch strenge Argumentation ein kohärentes System der unsichtbaren Welt auf. Die Dämonen finden darin ganz selbstverständlich einen zentralen Platz.
Thomas von Aquin, eine Schlüsselfigur dieses Jahrhunderts, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Seine Sicht des Bösen ist nicht mythisch, sondern rational. Für ihn ist der Dämon kein verschwommenes Wesen, sondern ein klar bestimmter Geist mit definierter Natur, Geschichte, Psychologie und Handlungsweise. Diese intellektuelle Präzision ist neu. Thomas beschreibt den Dämon als gefallenen Engel, dessen Engelwesen trotz der Verdorbenheit seines Willens fortbesteht. Er bleibt ein Geist großer Intelligenz, den menschlichen Fähigkeiten unendlich überlegen; doch diese Intelligenz ist endgültig auf das Böse ausgerichtet.

Die Hölle, rechte Tafel des Triptychons der irdischen Eitelkeit und des göttlichen Heils, um 1485
So erhält der Teufel einen paradoxen Status: eine brillante, aber verdorbene Kreatur, ohnmächtig gegenüber Gott, aber furchterregend für die Menschen; begrenzt in seiner Macht, aber gefährlich in seinem Einfluss; der Gnade beraubt, aber mit scharfem Wissen um die menschlichen Schwachstellen ausgestattet. Diese theologische Analyse verleiht ihm eine neue psychologische Tiefe. Der Dämon ist nicht mehr nur ein aus der Hölle hervorbrechendes, brüllendes Ungeheuer: Er wird zu einer subtilen Entität, fähig zu Überredung, Illusion und rationaler Manipulation.
Die Scholastik verleiht dem Teufel, indem sie seine Wirkungsweisen systematisiert, eine Art intellektuelle Sichtbarkeit. Man diskutiert über seine Natur, seine Hierarchie, seine Fähigkeiten, seine Grenzen. Die Universitäten werden beinahe zu Laboratorien, in denen der Dämon als geistiges Phänomen untersucht wird. Dieser Moment kann als Geburtsstunde einer Dämonologie im eigentlichen Sinne gelten: eines strukturierten Wissenskomplexes, der darauf abzielt zu verstehen, wie das Böse in der Welt wirkt.
Diese „Rationalisierung des Teufels“ wird weitreichende Folgen haben: Sie verleiht den Volksängsten eine gelehrte Legitimation und stattet umgekehrt die allgemeine Kultur mit einer intellektuellen Konsistenz für das aus, was bisher nur ein diffuses Imaginäres war.

Meister von Avicenna, Paradies und Hölle, um 1435.
Ein geschlagener Kontinent: Angst, Unordnung und Erklärungssuche
Doch der wachsende démonologische Eifer ist nicht nur das Werk der Universitäten. Auch die Außenwelt wandelt sich drastisch. Das 13. Jahrhundert erlebt gewaltige Spannungen: den Aufstieg der Königreiche, Fehden, Kreuzzüge, aber auch kulturellen Austausch und das Erstarken der Städte. Das darauf folgende Jahrhundert jedoch stürzt in Finsternis: Das 14. Jahrhundert ist ein Jahrhundert der Katastrophen.
Aufeinanderfolgende Hungersnöte verwüsten die Ländereien. Kriege breiten sich aus und dauern an. Dann bricht 1347 die Pest aus. Innerhalb weniger Jahre verliert Europa etwa ein Drittel seiner Bevölkerung. Ganze Städte werden entvölkert, Dörfer verschwinden, Leichen häufen sich mangels Totengräbern. Der Tod wird allgegenwärtig, sinnlos, brutal, ohne klare Erklärung.
Angesichts dieser Verwüstung sucht das mittelalterliche Denken nach Sinn. Die Plagen können nicht bloß Zufall sein: Es muss einen Willen, eine Ursache, einen Handelnden geben. Die Pest, unverständlich wie sie ist, lässt alle Deutungen zu. In einer zutiefst religiösen Gesellschaft kann eine so monströse Katastrophe nur als Ausdruck eines geistlichen Kampfes verstanden werden. Der Teufel wird dann zu einem bequemen, ja fast notwendigen Akteur, um Phänomene zu erklären, die die menschliche Erfahrung übersteigen.
Randgruppen werden zu natürlichen Verdächtigen. Gerüchte beschuldigen bestimmte religiöse Minderheiten, unter dem Einfluss des Teufels die Brunnen vergiftet zu haben. Religiöse Dissidenten wie überlebende Katharer oder bestimmte mystische Bewegungen werden zu dämonischen Sekten erklärt. Heiler, Hebammen, isolierte Frauen geraten schnell in Verdacht, geheime Beziehungen zu bösen Mächten zu unterhalten. In einer destabilisierten Gesellschaft wird der Teufel zum Bindemittel des sozialen Imaginären: Man sieht seine Hand überall, beschuldigt ihn, betrachtet ihn als geheimen Ingenieur allen Leidens.
Diese Prozesse der Benennung unsichtbarer Feinde und der Suche nach Schuldigen bereiten den Boden für das große Repressionsunternehmen, das in den Jahrhunderten danach die Hexenverfolgungen des 15. und 16. Jahrhunderts sein werden. Schon vor diesen Verfolgungen etabliert das 14. Jahrhundert eine Denkweise: Das Böse ist nicht nur moralisch, es ist organisiert; es handelt durch menschliche Verbündete; es konspiriert gegen die christliche Gesellschaft. Europa erfindet so nach und nach nicht nur den Teufel, sondern auch seine Verschwörung.
Spätgotische Kunst: der Teufel als Spektakel
In diesem Klima von Angst, Beklemmung und Obsession wandelt sich auch die mittelalterliche Kunst, um kollektiven Schrecken eine sichtbare Form zu verleihen. Mit der Spätgotik nimmt der Teufel neue Dimensionen an. Das Imaginäre wird dunkler, gewalttätiger, überbordender. Die Künstler wählen eine Ästhetik des Exzesses: Übermaß an Formen, Farben und Bewegung.

Canavesio, Der Teufel und der Gehängte. Fresko von 1492
Die dargestellten Dämonen sind nicht länger vage tierische Kreaturen; sie werden zu hybriden Kompositionen aus nahezu monströsen Zusammenfügungen. Ein und derselbe Dämon kann mehrere Gesichter tragen, als verrate seine zersplitterte Identität seine innere chaotische Natur. Andere besitzen mehrere Arme, mehrere Münder, mehrere Flügel. Die Vervielfachung der Gliedmaßen ist keineswegs nur ein grafischer Effekt, sondern gibt die Vorstellung wieder, dass das Böse sich zerstreut, fragmentiert und keine Einheit mehr kennt. Wo Gott vollkommen eins ist, ist der Teufel plural, instabil, zerrissen.
Auch die Farben gewinnen eine neue symbolische Kraft. Krankhafte Grüntöne evozieren moralische Fäulnis, schweflige Gelbtöne die Verderbnis, tiefes Schwarz die Abwesenheit von Licht, flammendes Rot die Höllenflammen. Die mittelalterliche Hölle gleicht weniger einer Grotte als einer riesigen Maschine, in der die Dämonen zu Bedienern unermüdlicher Grausamkeit werden. Sie verschlingen, reißen, zermahlen, dehnen, verdrehen die Körper. Die Verdammten ihrerseits werden einfallsreichen Qualen ausgesetzt, bisweilen grotesk, bisweilen entsetzlich, stets spektakulär.
Diese Bilder wollen nicht nur Angst erzeugen: Sie sollen das Unsichtbare sichtbar machen. Die Künstler geben den Gläubigen die Möglichkeit, zu betrachten, wie eine Welt aussähe, die vollständig ohne Gott ist. Die Hölle wird zum umgekehrten Spiegel des Paradieses, zu einem Reich, in dem alles verzerrt ist: Gesten, Regeln, Hierarchien – bis hin zum Begriff der Menschlichkeit selbst.
Der Teufel nimmt im Zentrum dieses makabren Theaters einen souveränen Platz ein. Er ist nicht mehr der isolierte Agent einer individuellen Versuchung, sondern der Herrscher eines Reiches des Chaos. Er führt seine Legionen an, organisiert die Qualen, herrscht über die Verdammten wie ein entstellter Monarch. Dieses Bild des Teufels als König wird sich dauerhaft im europäischen Imaginären durchsetzen.
Ein totaler Teufel
Zwischen dem 13. und dem 15. Jahrhundert erreicht die Figur des Teufels eine neue Komplexität. Er ist nicht mehr nur ein Versucher; er wird zu einem System. Er ist nicht länger eine Randfigur; er rückt ins Zentrum einer Kosmologie. Theologie, Kunst, Alltagsleben und historische Krisen konvergieren, um ihm eine psychologische, soziale und visuelle Dichte zu verleihen, die es zuvor nicht gab.
Der spätmittelalterliche Teufel ist zugleich ein brillanter Geist, ein Verschwörer, ein Verderber, ein höllischer Monarch und eine Projektion menschlicher Ängste. Er ist Antwort auf die Unordnung der Welt und moralische Warnung; ein Gegenstand universitärer Studien und ein phantastisches Tier in den Dörfern; ein künstlerisch ungemein reiches Sujet und ein Akteur realer Schrecken.

Michael Pacher, Retabel der Kirchenväter (Detail), 1483. München, Deutschland.
Diese Mischung aus Rationalität, Symbolik, Angst und Faszination bildet eine der fruchtbarsten Phasen der Geschichte des Bösen im Abendland – und bereitet die noch heftigere Explosion der folgenden Jahrhunderte vor, in denen der Teufel zum Eckstein der Hexenverfolgungen wird.
Der Teufel im Codex Gigas: ein einzigartiges Auftreten in der mittelalterlichen Kunst
Im Herzen des Codex Gigas, einer gewaltigen Handschrift aus dem 13. Jahrhundert, die oft als „Teufelsbibel“ bezeichnet wird, findet sich eine der eindrucksvollsten und rätselhaftesten Darstellungen des Dämons in der gesamten Geschichte der mittelalterlichen Kunst. Dieses Bild, das eine ganze Seite einnimmt, hebt sich vollständig von allen zeitgenössischen ikonographischen Traditionen ab. Es ähnelt weder den grotesken Teufeln der gotischen Marginalien, noch den zusammengesetzten Monstern der romanischen Tympana, noch den grimassierenden Höllendämonen. Es ist etwas anderes: ein roher, isolierter, monumentaler, nahezu erdrückender Auftritt.
Was sofort auffällt, ist die Isolation der Figur. Der Teufel ist nicht von verdammten Seelen, Foltern oder Flammen umgeben. Er steht allein, eingeschlossen in einer Art architektonischer Nische, die ebenso sehr an einen sakralen Rahmen wie an einen Käfig erinnert. Es ist ein leerer Raum, ohne Dekor, ohne Erzählung, ohne Ablenkung: Alles ist darauf angelegt, die Aufmerksamkeit auf die einzelne Gestalt des Dämons zu konzentrieren. In dieser visuellen Isolation erhält der Teufel eine fast körperliche Präsenz, wie ein Wesen, das vor den Leser tritt, nicht als Akteur eines Dramas, sondern als absolute Entität.

Auch die physische Erscheinung dieser Figur ist bemerkenswert. Der Teufel des Codex Gigas wird massig, gedrungen dargestellt, mit einem Körper von menschlichen, doch übersteigerten Proportionen, bedeckt von dunklem Fell. Seine Haut wirkt animalisiert, fast bestialisch, eher einer unterirdischen Kreatur ähnlich als einem gefallenen Engel. Seine kräftigen Klauen sind für eine Handschrift ungewöhnlich präzise wiedergegeben, als habe der Schreiber besonders auf die räuberische Natur des Wesens hinweisen wollen. Die rote, lange, schlangenartige Zunge scheint mit beunruhigender Vitalität aus seinem Mund hervorzuschnellen. Was das Gesicht betrifft, so ist es frontal, starr, mit zwei weit geöffneten Augen, die dem Dämon einen zugleich wachsamen und unerbittlichen Ausdruck verleihen.
Diese Frontalität ist außergewöhnlich. Während die meisten mittelalterlichen Darstellungen Satans ihn in Aktion zeigen – quälend, verführend, richtend oder Verdammte orchestrierend –, blickt der Teufel des Codex Gigas den Leser direkt an. Er nimmt an keiner Szene teil: Er präsentiert sich als Präsenz. Er ist da, vor Ihnen, ohne Vermittlung, ohne Erzählung, ohne Rechtfertigung. Er tut nichts: Er ist.
Diese reine Existenz, durch eine ganze Manuskriptseite aufgezwungen, verleiht dem Dämon eine stille, nahezu einschüchternde Autorität.

Am rätselhaftesten ist vielleicht das Verhältnis dieses Bildes zum übrigen Buch. Auf der gegenüberliegenden Seite dieser vom Teufel dominierten Seite befindet sich eine Darstellung der himmlischen Stadt. Der Kontrast ist vollkommen: hier das Dunkle, Massive, die Hölle, die allein durch die Kreatur evoziert wird; dort die leuchtende, geometrische, reine Ordnung. Das Manuskript stellt nicht nur Gut und Böse gegenüber, es bringt sie sich gegenseitig ins Angesicht – als zwei Pole derselben Welt, zwei Optionen, zwei Wege. Der Leser, der diese Seiten durchblättert, taucht buchstäblich in diese symbolische Konfrontation ein.
Wir wissen nicht, warum der Schreiber – wahrscheinlich ein Benediktinermönch – sich entschlossen hat, dem Teufel eine ganze Seite zu widmen, und vor allem nicht, warum er ihn mit einer so rohen Monumentalität dargestellt hat. Dieser Mangel an historischer Erklärung hat über Jahrhunderte die Legenden gespeist: Man erzählt, das Manuskript sei in einer Nacht mit Hilfe des Teufels entstanden, das Bild sei eine Art dämonische Signatur oder ein symbolischer Pakt. Diese Erzählungen gehören selbstverständlich zur Volksmythologie. Aber sie zeugen von der Faszinationskraft der Darstellung: Sie scheint zu mächtig, zu verstörend, um bloß dekorativ zu sein.
In der Geschichte der mittelalterlichen Kunst nimmt die Darstellung des Teufels im Codex Gigas eine einzigartige Stellung ein. Sie ist nicht nur eine der größten je in einer Handschrift gemalten Teufelsbilder, sondern auch eine der reduziertesten, direktesten, rätselhaftesten. Sie erzählt nichts, beweist nichts: Sie konfrontiert den Leser unmittelbar mit dem Bösen, wie in einem Gesicht-zu-Gesicht.
Diese Frontalität, diese Einsamkeit, diese Monumentalität machen sie zu einer der eindringlichsten Ikonen in der gesamten Geschichte des Teufels. Noch heute, trotz tausender Analysen, bewahrt das Bild seine ungebrochene Kraft: Man sieht darin weniger eine Illustration als eine Erscheinung, die den Text unterbricht – ein Aufbrechen des Schattens in die Helligkeit der Seiten. Vielleicht ist es gerade deshalb, dass der Codex Gigas zur „Teufelsbibel“ wurde: nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen dieses einzigartigen Bildes, das den Leser anzublicken scheint, statt selbst betrachtet zu werden.
Renaissance und Barock: ein subtilerer, psychologischerer, aber auch theatralischerer Teufel
Mit der Renaissance tritt der Teufel in ein neues Zeitalter ein. Die mittelalterlichen Jahrhunderte hatten von ihm ein zusammengesetztes Bild gezeichnet: Herrscher eines grotesken Reiches, Gebieter deformierter Legionen, geduldiger Versucher, listiger Geist, aber oft innerhalb der dogmatischen Strenge gehalten. Ab dem 15. Jahrhundert jedoch wandelt sich diese Gestalt tiefgreifend. Die Welt verändert sich, die Mentalitäten verschieben sich, der Humanismus durchdringt das Denken – und der Teufel verwandelt sich im Spiegel dieser neuen Anliegen. Weniger monströs, weniger schrill wird er zu einer inneren Präsenz, subtiler, geistiger, aber bisweilen auch verführerischer und gefährlicher, gerade weil er den menschlichen Bestrebungen näher rückt.
Die Renaissance stellt den Menschen in den Mittelpunkt des Kosmos. Sie wertet Vernunft, Schönheit, Freiheit und individuelle Ambition auf. Sie verleiht den menschlichen Fähigkeiten eine neue Würde und öffnet die Tür zu einem bis dahin unbekannten Vertrauen in die Fähigkeit des Menschen, über sein eigenes Schicksal zu verfügen. Dieser Wandel verändert die Auffassung vom Bösen. Die Versuchung ist nicht mehr nur ein äußerlicher Angriff; sie wird zu einem Dialog, einem Gegenüber zweier Freiheiten: der Gottes und der des Menschen. In diesem Kontext verliert der Teufel nach und nach seine groteskesten Züge. Sein Erscheinungsbild glättet sich, verfeinert sich, wird kultivierter. Mitunter tritt er in Gestalt eines düsteren, aber eleganten Höflings auf, eines subtilen Diplomaten, eines glänzenden und beunruhigenden Gesprächspartners. Er hört auf, das absolute Andere zu sein: Er wird ein invertiertes Alter Ego, ein mögliches Doppel des Menschen, der nicht mehr nur primäre Furcht verkörpert, sondern Faszination.
Diese Vermenschlichung des Teufels verstärkt die Vorstellung, dass das Böse nicht immer durch sein Äußeres erkennbar ist. Die Renaissance, begeistert von Psychologie, Ambivalenz und innerer Tiefe, bevorzugt einen Teufel, der durch gerade jene Qualitäten zu verführen vermag, die die Menschen bewundern: Intelligenz, Geist, Wissen, Selbstbeherrschung. Künstler und Schriftsteller entdecken, dass das Böse sich in der Schönheit selbst verbergen kann – in der perfekten Linie des Körpers eines gefallenen Engels oder in den subtilen Argumenten eines allzu charmanten Gesprächspartners. Der Teufel wird zum Spiegel, in dem der Mensch seine eigenen maßlosen Wünsche, seine Größenphantasien, seinen Willen, die von Gott gesetzten Grenzen zu überschreiten, wiedererkennt.
Eine der großen Revolutionen dieser Epoche besteht darin, dass Satan nicht mehr nur als Verderber erscheint, sondern als Offenbarer. Er bringt ans Licht, was der Mensch wirklich will – manchmal im Geheimen.

Satanischer Ritualdolch mit Teufelsfigur
Der verführerische Teufel: eine zugleich anziehende und bedrohliche Figur
In dieser Zeit verändert sich die diabolische Versuchung grundlegend. Sie ist nicht mehr der brutale Angriff wie in den romanischen Fresken, sondern ein Angebot, ein Gespräch, ein Handel. Der Teufel wird zum Sprachrohr einer grenzenlosen Freiheit: Er zeigt, was möglich wäre, wenn der Mensch nicht länger in moralische, soziale oder religiöse Zwänge eingeschlossen wäre. Er verkörpert die Übertretung nicht mehr als bloße Verfehlung oder Torheit, sondern als innere Erfahrung. Er wird auch zur Figur des fleischlichen Begehrens – nicht nur durch Lüsternheit, sondern durch Verherrlichung des Körpers, durch Feier der menschlichen Leidenschaften. Auf seine Weise trägt der Teufel der Renaissance einen Teil der neuen Philosophie in sich: die Vorstellung vom Menschen als Wesen, das zu Größe fähig ist, sich selbst zu übersteigen vermag, aber gerade deshalb auch zu Fall kommen kann.
In den literarischen Porträts dieser Epoche wird der Teufel bisweilen zu einer überraschend eleganten Figur. Er spricht gewandt, kennt die Menschen, weiß Ironie und Lächeln einzusetzen. Er ist nicht mehr nur der Geist des Bösen: Er wird zum Geist der Welt, zum Hauch geheimer Ambitionen, zu dem, der verspricht, was die Kirche als unmöglich oder gefährlich betrachtet. Anstatt mit einem Blick zurückgewiesen zu werden, wird er so zu einem Gesprächspartner, dem man zuhören kann – und genau darin liegt seine größte Gefahr.
Der Faust-Mythos: Versuchung als Streben nach Überschreitung
Diese Verschiebung findet ihre vollendetste Form in der Legende von Faust, einem der kulturellen Höhepunkte des 16. Jahrhunderts. Ursprünglich eine dunkle Gestalt eines unzufriedenen Gelehrten, wird Faust durch die deutsche Literatur zum paradigmatischen Beispiel des Menschen, der nicht aus Schwäche, sondern aus Ehrgeiz einen Pakt mit dem Teufel schließt. Er sucht weder Gold noch politische Macht noch bloß sinnliche Genüsse: Er sucht Wissen, das letztgültige Verständnis der Welt, das Eindringen in die Geheimnisse der Natur. Er will seine menschliche Begrenztheit überwinden.
Mephistopheles ist in dieser Erzählung nicht mehr das grimassierende Monster des Mittelalters. Er ist ein ironischer, gebildeter, strategischer, bisweilen sogar melancholischer Geist. Er führt Faust mit einer beinahe freundschaftlichen, zugleich völlig kalkulierten Geduld. Seine Versuchung ist in keiner Weise vulgär: Sie besteht darin, dem Menschen das zu geben, was er am meisten begehrt – Freiheit, Herrschaft, totale Erfahrung.

KERZENLEUCHTER DER TEUFEL UND DIE HEXE
Im Faust-Mythos spielt der Teufel eine völlig neue Rolle: Er wird zum Agenten eines gefährlichen Wissens. Nicht mehr die Magie führt zur Verdammnis, sondern ein Übermaß an Wissenschaft. Nicht mehr nur die Wollust, sondern der intellektuelle Hochmut. Faust fällt nicht, weil er sich seinen Leidenschaften hingibt, sondern weil er verstehen will, was den Rahmen der menschlichen Existenz übersteigt.
Der Faust-Mythos führt somit eine neue Verantwortung ein: Der Mensch ist nicht länger Opfer des Teufels; er wird zu seinem Partner. Das Böse ist nicht mehr nur äußerlich; es entsteht aus einer Wahl. Der Teufel hört auf, ein Henker zu sein; er wird zu einem Gesprächspartner. Und der Mensch wird durch diese Entscheidung zum Architekten seines eigenen Falls. Diese Sichtweise begründet eine neue Modernität der Versuchung: Sie ist nicht mehr eine auferlegte Prüfung, sondern eine bewusst übernommene Entscheidung.
Die Maler der Renaissance: symbolische Fülle und visuelle Feinheiten
Das Bild des Teufels entwickelt sich auch in der Malerei weiter. Hieronymus Bosch erschafft in seinem halluzinatorischen Universum ein infernalisches Bestiarium von beispielloser Dichte. Das Böse ist keine einzige Kraft, sondern eine organische Vielzahl, eine Menge kleiner hybrider, grotesker, beunruhigender oder komischer Wesen. Seine Teufel sind nicht nur bedrohlich, sondern verwirrend, manchmal winzig, manchmal lächerlich, manchmal faszinierend. Der Betrachter erkennt, dass das Böse nicht immer riesig und spektakulär sein muss: Es kann diskret, schleichend, zahlreich, beinahe alltäglich sein. Bosch macht den Teufel zu einem alltäglichen, fragilen, vielgestaltigen Phänomen, das sich in die einfachsten Gesten einschleicht.
Brueghel, Erbe dieser fantasievollen Tradition, bevölkert ebenfalls seine Leinwände mit seltsamen, grotesken oder vermischten Wesen: fliegenden Fischen, riesigen Insekten, Tieren mit menschlichen Gliedmaßen. Bei ihm vermischen sich Furcht und Satire; das Böse nimmt die Form kleiner visueller Absurditäten an, die in Wirklichkeit die Schwächen der Menschen anprangern.
Grünewald wiederum bietet in seinem Isenheimer Altar eine der erschreckendsten Darstellungen des Dämons. Hier ist das Böse kein Scherz: Es ist eine greifbare, fast körperliche Kraft, bestehend aus anatomischen Verzerrungen, delirierenden Farben und Krämpfen. Sein Teufel ist eine lebendige Wunde, ein verkörperter Albtraum. Durch diese so unterschiedlichen Darstellungen präsentiert die Renaissance ein ganzes Spektrum von Teufeln – vom subtilsten bis zum monströsesten, vom verführerischsten bis zum abstoßendsten.
Das Barock: das Theater des Bösen und die Schönheit des Falls
Das 17. Jahrhundert eröffnet eine neue Epoche: das Barock. Es ist ein Jahrhundert heftiger Kontraste, religiöser Spannungen und Kriege, aber auch einer glänzenden künstlerischen Kreativität. In diesem Kontext wird der Teufel zu einer theatralischen Figur. Sein Bild wird dramatisiert. Man sieht ihn in Bewegung, in spektakulären Stürzen, in himmlischen Kämpfen, in denen Engelsgestalten in die Finsternis stürzen.
Die barocken Maler lieben es, den Sturz der rebellischen Engel darzustellen: Körper vollkommener Schönheit, inspiriert von der antiken Bildhauerei, die in einem Wirbel aus Licht und Schatten mitgerissen werden. Das Böse erhält eine neue ästhetische Größe. Man sucht nicht länger, durch Hässlichkeit zu erschrecken, sondern durch verlorene Majestät zu bewegen. Der barocke Teufel ist oft ein gestürzter Engel – herrlich, aber verurteilt, edel in seiner Niederlage, erhaben in seiner Verdammung.
Diese Sicht erzeugt eine neue Spannung: Das Böse erschreckt nicht nur, es fasziniert. Der Teufel wird dramatisch, beinahe tragisch, und der Betrachter empfindet manchmal eine ungewollte Bewunderung angesichts des Glanzes der Gefallenen.
ein Teufel der Begierde und der Zweideutigkeit
So erfährt die Figur des Teufels zwischen Renaissance und Barock eine wesentliche Wandlung. Er ist nicht länger nur der Feind Gottes; er wird zum Spiegel des Menschen. Er begleitet menschliche Ambitionen, nimmt ihre Schwächen an, erkundet die geheimen Winkel der Psyche. Er verkörpert, was der Mensch sein will, was er zu wagen wünscht, wovon er im Schweigen seines Gewissens träumt.
Der Teufel wird so weniger zu einer höllischen Kreatur als zu einer Metapher menschlicher Freiheit — erhaben oder gefährlich, je nach Wahl des Menschen.
Der Teufel im Zeitalter der Hexenprozesse: kollektive Angst und Faszination
Zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert erlebt Europa eine der dunkelsten und besessensten Phasen seiner Geschichte. Es ist nicht mehr nur der Teufel der Theologen, der romanischen Portale oder der mittelalterlichen Visionen. Es ist ein verkörperter, allgegenwärtiger Teufel, verankert im sozialen Gefüge, der auf Feldern, hinter Haustüren, in Ställen, in den Blicken der Nachbarn auftaucht. Das Böse ist kein Konzept mehr: Es ist ein Verdacht. Eine intime Bedrohung. Eine kollektive Besessenheit.

Kupferstich des 18. Jahrhunderts, Hexensabbat
Die Gesellschaft jener Zeit ist von tiefen Ängsten geprägt: Angst vor Krankheit, Angst vor Krieg, Angst vor wirtschaftlichem Wandel, Angst vor Randständigkeit, Angst vor dem Weiblichen und seiner geheimnisvollen Macht, Angst vor der Natur, die sich dem menschlichen Zugriff entzieht. Der Teufel wird zur gemeinsamen Sprache, die das Unerklärliche erklärbar macht, diffusen Ängsten Gestalt verleiht und sichtbare Schuldige für unsichtbare Übel benennt.
In dieser Zeit steigen die großen Hexenprozesse auf. Entgegen einer verbreiteten Vorstellung ist die Hexenjagd kein mittelalterliches Erbe: Sie gehört zur entstehenden Moderne. Sie ist Tochter des Buchdrucks, des zentralisierten Staates, der ersten Justizbürokratien und der religiösen Reformen. Und sie wird von einem teuflischen Imaginären genährt, das intensiver ist als je zuvor.
Der Malleus Maleficarum: die Geburt eines Terrorhandbuchs
1486 erscheint ein Werk, das zum Dreh- und Angelpunkt jahrhundertelanger Verfolgungen wird: der Malleus Maleficarum von Kramer und Sprenger. Dieses Buch, das sich als theologischer und juristischer Traktat präsentiert, ist in Wahrheit ein Werk extremer Gewalt, das geschaffen wurde, um die weltlichen und kirchlichen Autoritäten davon zu überzeugen, dass Hexen eine unmittelbare Bedrohung für die soziale Ordnung darstellen und systematisch ausgerottet werden müssen.

Der Malleus zeichnet sich vor allem durch seine Ambition aus: Er beschreibt nicht nur, was Hexen angeblich sind; er theoretisiert ihre Existenz, ihre Organisation, ihre Bosheit, ihre vermeintlichen Kräfte und ihre intime Beziehung zum Teufel. Er bietet ein logisches, fast mechanisches System, in dem jede menschliche Handlung verdächtig und jedes Ereignis als teuflischer Akt gedeutet werden kann.
In diesem Werk ist der Teufel nicht mehr ein isolierter Verführer: Er erscheint als Anführer einer gewaltigen Verschwörung gegen die Christenheit. Man sieht ihn nachts umherstreifen, Frauen verführen, mit ihnen paktieren, ihnen blasphemische Riten und magische Praktiken lehren. Er wird als absoluter Feind der sozialen, wirtschaftlichen, moralischen und religiösen Ordnung dargestellt.
Der Malleus verstärkt zudem eine gefährliche Idee, die tief im Denken der Zeit verwurzelt ist: die angebliche weibliche Schwäche. Die Autoren betonen die vermeintliche „Schwachheit“ der Frauen, ihre angebliche Emotionalität, Instabilität und unkontrollierte Sinnlichkeit. Unter der Feder von Kramer und Sprenger wird die Frau zur natürlichen Verdächtigen, fast prädestiniert für die teuflische Verführung. Diese systematische Misogynie diente als Rechtfertigung für Tausende von Prozessen, in denen die Angeklagten verurteilt wurden, bevor sie überhaupt angehört wurden.
Die Ikonographie des teuflischen Sabbats explodiert: nächtliche Flüge auf Tieren, obszöne Küsse auf den „Hintern“ des Teufels, widerwärtige Gelage, invertierte Zeremonien, Umkehrung der Sakramente. Die Hexe wird zur Priesterin des Chaos und der Teufel zu ihrem nächtlichen Liebhaber.
Diese Vorstellung verbreitet sich wie ein Lauffeuer, durchdringt Gerichte, Predigten, Pamphlete und Volksglauben. Der Teufel des Malleus wird systematisch kartografiert, analysiert und rationalisiert. Er wird fast zu einer Verwaltungsfigur: derjenige, den die Justiz zu verfolgen hat, indem sie diejenigen verfolgt, die angeblich unter seinem Einfluss stehen.
Die Hexe: das menschliche Gesicht des Teufels auf dem Land
In den Dörfern Europas wird die Figur der Hexe zum menschlichen Symbol des Bösen. Sie kristallisiert Jahrhunderte von Ängsten, Tabus, Eifersüchteleien und Spannungen. Die Hexe ist nicht nur eine beschuldigte Frau: Sie ist eine soziale Rolle, ein Stereotyp, fast ein dramatischer Archetyp, auf den die Gemeinschaft ihre inneren Konflikte projiziert.
In kleinen ländlichen Gemeinschaften hängt alles von einem empfindlichen Gleichgewicht ab: Eine missratene Ernte, eine kranke Kuh, ein verstorbenes Kind können ausreichen, um die Gemeinschaft zu erschüttern. Man braucht einen Schuldigen. Die Hexe, oft eine marginalisierte, alte, verwitwete, einsame Frau, eine traditionelle Heilerin oder einfach eine Andersartige, wird zu dieser bequemen Figur. Sie trägt die angesammelten Misstrauen, den Groll und die wirtschaftlichen Spannungen.

Kupferstich des 18. Jahrhunderts, Ankunft zum Sabbat
Die weibliche Sexualität, lange als geheimnisvoll oder gefährlich gesehen, wird regelmäßig mit dem Teufel verbunden. Das männliche Imaginäre der Epoche fürchtet die Autonomie des weiblichen Körpers, seine reproduktive Kraft, seine Undurchschaubarkeit. So wird die Hexe zum Ort, an dem sich die Ängste vor Fruchtbarkeit und die Ängste vor Zerstörung überkreuzen, als könne dieselbe Kraft Leben geben und nehmen.
Die Dämonen nehmen in diesem Kontext vertraute Formen an. Sie werden zu schwarzen Katzen, Böcken, Kröten, Raben: Gestalten des Alltags, die plötzlich eine beunruhigende Bedeutung tragen. Der Teufel wird diskret, verborgen in den Tieren, die die Hexen umgeben. Die Grenzen zwischen Natur und Übernatürlichem verschwimmen. Das Böse wird zur Nachbarschaft.
So befindet sich der Teufel nicht mehr nur in den Büchern der Theologen: Er lebt in Ställen, in Gärten, auf Dachböden, in alltäglichen Gesten. Er wird zu einer diffusen Präsenz, einem Hauch hinter jedem Unglück, einer unmittelbaren Erklärung für die Zufälle des Lebens.
Dieser Wandel ist entscheidend: Der Teufel ist keine Abstraktion mehr. Er wird zum Vorwand für Verfolgung. Er wird zur Waffe.

Kupferstich des 18. Jahrhunderts, Vorbereitung auf den Hexensabbat
Der Teufel in den Künsten, der Literatur und den Pamphleten des 17. Jahrhunderts
Im 17. Jahrhundert erreicht das teuflische Imaginäre eine beinahe hysterische Intensität. Vielleicht wurde der Teufel nie zuvor so häufig dargestellt, beschrieben und imaginiert. Europa druckt, fantasiert, malt, meißelt, erzählt und dramatisiert das Böse mit grenzenloser Erfindungskraft.
Kupferstiche zirkulieren in Städten wie auf dem Land: entfesselte Sabbate, Szenen monströser Geburten, mit Blut unterschriebene Pakte, tierische Metamorphosen, theatralische Exorzismen. Die Künstler schwanken zwischen groteskem Horror und beißender Satire. Manche Bilder lösen Albträume aus: gehörnte Dämonen, nackte Hexen im Mondlicht, Massen aufgeblähter Geister um einen Kessel. Andere wirken fast komisch: lächerliche Teufel, unwahrscheinliche Sabbate, infernalische Possen.

Der Teufel zwingt seine Beschwörer, einen Pakt zu schließen — Auszug aus dem Compendium Maleficarum von Francesco Maria Guazzo (1608).
In Predigten wird der Teufel zu einer allgegenwärtigen Figur. Die Prediger beschreiben ihn mit fast klinischer Präzision: seinen Geruch, seine Tricks, seine Versprechen, seine militärische Organisation. Man berichtet von seinen Erscheinungen, seinen Signaturen, seinen Lügen. Der Teufel des 17. Jahrhunderts ist ein Meister der Täuschung: Er verbirgt sich in Details, in Gesten, in Worten, im Alltag.
Auch Theaterstücke, manchmal im Geheimen aufgeführt, nutzen diese Faszination. Der Teufel erscheint oft als Störer der sozialen Ordnung, als Agent des Chaos, als grimassierende, aber gefährliche Figur. Pamphlete zirkulieren reichlich, nähren Ängste, erfinden ganze Sabbate, beschuldigen Individuen und beschreiben imaginäre dämonische Verschwörungen.
So ist der Teufel im 17. Jahrhundert überall: in der Kunst, in Gerüchten, in Gerichten, in Predigten, in Winterabenden. Er strukturiert das kollektive Imaginäre. Er wird zu einer Obsession, zu einem Fixpunkt, um den die Ängste der Epoche kreisen.

Teufelskopf aus dem 17. Jahrhundert
ein sozialer, politischer und intimer Teufel
Das Zeitalter der Hexenprozesse markiert einen der Momente, in denen die Figur des Teufels die schwerwiegendsten Folgen hatte. Es geht nicht mehr nur um Darstellung: es geht um gebrochene Menschenleben. Der Teufel wird zu einem Instrument der Kontrolle, einem Vorwand für Repression, einem Schlüssel zum Verständnis sozialer Spannungen, einem verzerrenden Spiegel der Sexualität, der Armut und der Angst vor dem Anderen.
Im 16. und 17. Jahrhundert ist der Teufel keine theologische Kreatur mehr. Er ist ein politischer, psychologischer und sozialer Akteur.
Ein imaginierter Jäger, aber mit sehr realen Folgen.
Eine unsichtbare Figur, deren Schatten ausreichte, um Europa in Brand zu setzen.
Der Teufel im Zeitalter der Aufklärung: Vernunft, Satire und Entsakralisierung
Mit dem 18. Jahrhundert steht der Teufel einem unerwarteten Gegner gegenüber: der Vernunft. Während die vorherigen Jahrhunderte eine wahre dämonologische Obsession entwickelt hatten, beginnen die Aufklärer, die alten Glaubensvorstellungen zu dekonstruieren. Die Philosophen stellen Aberglauben in Frage und prangern die Leichtgläubigkeit an, die aus dem Mittelalter geerbt wurde. Sie weigern sich, in Naturphänomenen diabolische Eingriffe zu sehen, und machen sich über die Hexenprozesse lustig – jene grausamen Episoden, in denen Unschuldige aufgrund theologischer Fiktionen oder kollektiver Ängste verurteilt wurden.

Francisco de Goya y Lucientes, Heiliger Franz von Borgia, der einem unbußfertigen Sterbenden beisteht, 1787–1788. Kathedrale von Valencia, Spanien.
Voltaire macht den Teufel zu einem bevorzugten Ziel. Für ihn wird die Figur Satans zu einem rhetorischen Werkzeug, um Obskurantismus, Machtmissbrauch oder Volksleichtgläubigkeit zu kritisieren. Dieser voltairianische Teufel hat nichts mehr vom mittelalterlichen Monster; er ist nur noch ein grotesker Schatten, eine naive Konstruktion von Gesellschaften, die von Angst geprägt sind. Satirische Schriftsteller greifen ihn bereitwillig auf, machen ihn zu einer unbeholfenen, lächerlichen, manchmal sogar bemitleidenswerten Figur. Er verliert jede metaphysische Tiefe und wird zu einem Instrument sozialer Analyse. Die Dämonologie, einst eine ernsthafte Disziplin, kippt in den Bereich des Burlesken.
Dieser Wandel zeigt sich auch in den darstellenden Künsten. In Märchen, Opéra-comiques oder Jahrmarkttheatern steigt der Teufel vom infernalischen Thron herab, auf den ihn die mittelalterlichen Jahrhunderte gesetzt hatten, und wird zu einer Nebenfigur, oft singend, tanzend, geschwätzig, unfähig, seine Intrigen erfolgreich durchzuführen. Er erscheint als glückloser Verführer, als boshafter, aber harmloser Geist, fast rührend. Sein ikonographischer Niedergang ist vollständig: Wo er einst ganze Menschenmengen erschreckte, amüsiert er nun die Salons.
Unter dem Einfluss der Aufklärung verliert der Teufel seine reale Macht. Er wird zu einer abstrakten Figur, zu einem literarischen Symbol mehr als zu einem bedrohlichen Wesen. Man ruft ihn herbei, um zu lachen, zu kritisieren, zu karikieren; man fürchtet ihn nicht mehr. Diese Entsakralisierung kündigt die Moderne an: Die Hölle ist fortan kein Ort mehr, sondern ein Mythos; der Teufel kein kosmischer Gegner mehr, sondern eine kulturelle Figur.

Kerzenhalter, der den Teufel darstellt auf relics.es
Die Romantik und das 19. Jahrhundert: Luzifer, tragischer Held und Symbol des Aufruhrs
Doch der Teufel hat sein letztes Wort nicht gesprochen. Im 19. Jahrhundert, während der Rationalismus triumphiert, entsteht ein anderer Strom – fast als Reaktion auf diese intellektuelle Kälte: die Romantik. Die romantischen Schriftsteller, Dichter und Künstler geben dem Teufel wieder eine tiefe Dimension, verwandeln ihn jedoch radikal. Er ist nicht mehr die bestiale Kreatur des Mittelalters, auch nicht die komische Puppe der Aufklärung: Er wird zum Symbol der Rebellion, zur tragischen Figur, manchmal sogar zum Helden.
Die Romantiker sehen in Luzifer das perfekte Bild des Individuums, das sich weigert, sich zu unterwerfen. Er wird zum Verfechter absoluter Freiheit, derjenige, der Verdammnis der Gehorsamkeit vorzieht, der es wagt, „Nein“ zur göttlichen Macht zu sagen. Bei Byron, Shelley oder in Goethes Faust erscheint der Teufel als brillanter, skeptischer, ironischer, aber auch melancholischer Gesprächspartner. Er verkörpert kein rohes Übel mehr, sondern einen Bewusstseinszustand: den Zweifel, die grausame Klarheit, das Leiden dessen, der weiß, dass er verdammt ist und dennoch weitermacht.
Milton bietet in Paradise Lost dem Teufel eine seiner erhabensten literarischen Verkörperungen. Luzifer wird dort zu einem herrlichen gefallenen Engel, dessen Rebellion tragische Größe besitzt. Dieses Bild prägt die westliche Kultur nachhaltig. Der romantische Teufel ist nicht mehr der Feind des Menschen: Er ist manchmal sein heroischster, leidenschaftlichster und tragischster Spiegel.
Die Malerei des 19. Jahrhunderts übernimmt diese neue Sichtweise vollständig. Delacroix, Moreau und Rops geben dem Teufel Formen, die weit psychologischer als theologisch sind. Er ist nicht mehr nur eine Figur der Hölle, sondern die sichtbare Verkörperung innerer Versuchung, Begierde, Unruhe, Schwindel. Er erscheint als verführerisches Wesen – manchmal androgyn, manchmal strahlend, manchmal düster – aber immer von einer emotionalen Intensität getragen, die über die Grenzen des Dogmas hinausgeht. Diese Annäherung macht den Teufel zu einem Symbol der menschlichen Seele selbst, ihrer Dualität, ihres Wunsches, sich den Normen zu entziehen, ihrer Lust auf Extreme.
In der Literatur wird die Figur noch komplexer. Dostojewski lässt in Die Brüder Karamasow einen gealterten Teufel auftreten, der müde spricht und die Ängste und Widersprüche des Protagonisten widerspiegelt. Baudelaire verwandelt in Die Blumen des Bösen Satan in einen Duft, eine Atmosphäre, eine Neigung, eine innere Versuchung; der Teufel wird ästhetisch, ein Schwindel, eine Art, die Welt zu empfinden. Vielleicht war er nie so eng mit der menschlichen Psyche verbunden wie hier.
Das 20. Jahrhundert: Psychoanalyse, Kino und Explosion der Imaginäre
Im 20. Jahrhundert vervielfältigen sich die Darstellungen des Teufels und diversifizieren sich radikal. Die Psychoanalyse macht ihn zum Symbol des Unbewussten. Freud sieht in ihm die Figur verdrängter Triebe, verbotener Wünsche, die das Subjekt heimsuchen. Jung hingegen macht ihn zum „Schatten“, jenem ignorierten Teil von uns, der das enthält, was wir nicht anerkennen wollen. Der Teufel ist damit kein äußerer Gegner mehr: er wird zu einem Bestandteil der menschlichen Seele. Er braucht keine Gabeln oder Flügel mehr; er ist unsere Schuld, unsere Ängste, unsere Traumata, unsere geheimsten Impulse.
Das Kino greift diese wandelbare Figur begeistert auf. Es macht sie abwechselnd zum schrecklichen Monster, zur metaphysischen Präsenz, zum charismatischen Verführer oder zum komischen Provokateur. In Horrorfilmen wie Der Exorzist, Das Omen oder Rosemaries Baby wird der Teufel wieder furchterregend, die Verkörperung eines Übels, das den Menschen übersteigt. Hollywood verleiht ihm aber auch verführerische Züge, wie in Im Auftrag des Teufels, wo Al Pacino einen brillanten, modernen, manipulativen Satan spielt, Meister zeitgenössischer Illusionen. Andere Produktionen machen sich über ihn lustig: In Komödien oder Zeichentrickfilmen wird er zur skurrilen Figur, zum Höllenbürokraten oder Scherzliebhaber. Diese Vielfalt macht den Teufel allgegenwärtig: Er ist fähig zu jeder Metamorphose, je nach dramaturgischem oder kommerziellem Bedarf.
Auch die Musik zieht nach. Blues, Rock und Metal verwenden die Figur des Teufels als Symbol für Rebellion, Überschreitung oder Freiheit. Die Legende von Robert Johnson, der am Kreuzweg seine Seele verkauft, nährt das musikalische Imaginäre des 20. Jahrhunderts. Rockbands spielen mit satanischen Codes, um zu schockieren oder eine rebellische Identität zu behaupten. Der Teufel wird zu einem Emblem – manchmal provokativ, manchmal ironisch, aber stets mit hoher symbolischer Kraft.
In Comics, Videospielen oder Mangas ist Satan mal liebenswert, mal berechnend, mal tragisch, mal grotesk oder erhaben. Er spiegelt die grafischen Stile und Sensibilitäten jedes Mediums wider. Er verliert seinen exklusiven Bezug zur Religion und wird zu einer Pop-Ikone, zu einer Figur unter vielen, manchmal sogar sympathisch.
Der zeitgenössische Teufel: eine universelle Metapher
Heute wird der Teufel kaum noch als religiöse Figur wahrgenommen. Er ist zu einem Symbol, einem Werkzeug, einer Sprache geworden. Künstler nutzen ihn, um politische Korruption, technologische Entgleisungen, Machtrausch, kapitalistische Mechanismen oder die Versuchung der Unmenschlichkeit anzuprangern. Er ist nicht mehr Gottes Feind: er ist der Schatten des modernen Menschen.
In der heutigen Kultur kann er ironisch, müde, überfordert sein, verwandelt in einen verwaltungstechnischen Höllendirektor oder in einen melancholischen Antihelden. Diese postmoderne Version des Teufels zeigt, wie sehr sich das Heilige verändert hat: Was einst Angst einflößte, amüsiert heute – und was einst die Massen erzittern ließ, dient nun als Stoff für Humor.
Doch hinter diesen unendlichen Variationen verbirgt sich eine Konstante: Der Teufel bleibt ein Spiegel. Er reflektiert, was Gesellschaften kritisieren wollen, was sie verstehen möchten, was sie nicht direkt ansehen können. Er ist der dunkle Teil der menschlichen Freiheit, die Verkörperung unserer Widersprüche, das Symbol jener dauernden Spannung zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir sein möchten.
Schlussfolgerung: eine dynamische Figur, ein Offenbarer des Menschlichen
Vom 18. bis zum 21. Jahrhundert durchläuft der Teufel eine wahre Metamorphose. Er wandelt sich von einer metaphysischen Bedrohung zu einem kulturellen Symbol. Er wird von der Vernunft kritisiert, von den Romantikern erhöht, von Psychoanalytikern zerlegt, von der Popkultur verherrlicht oder verspottet. In jeder Epoche ändert er seine Maske, seine Rolle, seinen Diskurs.
Doch trotz all dieser Wandlungen bleibt eines bestehen: Der Teufel ist niemals eine autonome Figur. Er wird immer von den Bedürfnissen, Ängsten, Träumen und Exzessen der menschlichen Gesellschaften geformt. Seine außergewöhnliche Wandelbarkeit macht ihn zu einem privilegierten Zeugen unserer Geschichte: Er war Monster, Verführer, Clown, Philosoph, Revolutionär, Ikone oder Trauma.
Kurzum: Die Figur des Teufels erzählt ebenso viel über die Entwicklung menschlicher Vorstellungen wie über das Böse selbst. Und gerade weil er sich ständig verändert, bleibt der Teufel auch heute noch eines der mächtigsten, ambivalentesten und faszinierendsten Symbole der gesamten westlichen Kultur.

TEUFELS-TINTENFASS aus dem 19. Jahrhundert

Teufels-Brieföffner aus dem 19. Jahrhundert

Teufels-Kandelaber mit Schlangen aus dem 19. Jahrhundert

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